Reisbericht, 2. Teil

Von wegen Rik-Ruhe-Tag! Belgien-begeistert-Tag! Die Stadt ist voll mit Musikbühnen. Tausende Menschen in friedlicher und gelöster Feierlaune bei voller Sonneneinstrahlung! Der historische Marktplatz ist faszinierend und in den von ihm abgehenden Straßen hängen große Banner. Es sind Banner mit Stadtwappen, mit Kinderbildern und mit einer einheitsbildenden Erinnerung an die Olympioniken, die die Stadt Brügge nach London entsendet hat. Diese Stadt feiert seine Olympia-Teilnehmer schon für die Teilnahme – ganz im Sinne Baron Pierre de Coubertins, dem Schaffer der Olympischen Spiele der Neuzeit! Das Geschenk an den „Brüggermeister“ muss in der Verwaltung verbleiben, nach der Tour hat er sich jedoch noch einmal schriftlich gemeldet! Das Stadtfest geht für einige bei Musik und viel Amüsement bis weit nach Sonnenuntergang. Doch Pünktlich zur Hingsen-Verleihung sind alle wieder im Gruppenraum des Stadions. Und dann geht’s auch schnell Richtung Bett. Tag zehn soll heiß werden, wir werden die Grenze nach Frankreich passieren und nach dem Ruhetag gut „energetisiert“ starten!
Am Morgen packen wir schnell zusammen und treffen uns dann noch einmal im Stadion. Gruppenfotos sind angesagt. Dazu hat der Hausmeister des Stadions alle Mitarbeiter ihre Arbeit stoppen lassen, damit wir am Mittelkreis zu unseren Bildern kommen! VIELEN DANK an den Hausmeister und die Stadt Brügge für zwei großartige Tage … und Nächte!
Fotos zum Tagebuch-1

Die knapp 80 km zwischen Brügge und Dünkirchen legen im Eiltempo zurück und sind bei bestem Wetter und gerader Strecke nahezu zeitlich mit unseren Begleitfahrzeugen vor Ort: In der modernen Baron Pierre de Coubertin Sporthalle. Die Franzosen ehren sich, uns und den Schöpfer der modernen Olympischen Spiele! Wir bereiten das Lager schnell, weil wir noch an den Strand wollen, warten allerdings noch auf den Bürgermeister. Dieser kommt entspannt in geöffnetem Hemd, Shorts und Badesandaletten und ist begeistert von der Gruppe! Er erhält durch NAME von unserem OB das Dankeschön-Mitbringsel. Seinerseits gibt er uns ein Geschenk für den Oberbürgermeister Markus Lewe mit und wünscht uns für die Zukunft ein gutes Miteinander der Jugend aus beiden Ländern – ganz im Sinne Coubertins!
Wir radeln zum Strand – noch ein paar Kilometer für SOS KINDERDORF strampeln! Das Meer ist erfrischend und regt zu Wasserspielen an. Auch Salto-Sprünge werden geübt und mehrstöckige Pyramiden gebaut! Zwei Stunden Strand beleben die Geister, bevor es zum Abendessen an der Sporthalle geht. Dort wartet eine unangenehme Überraschung: Die beiden Ersatzräder sind geklaut worden. Ab jetzt wird es schwieriger, wenn jemand ernsthafte Probleme mit seinem Rad bekommt. Doch heute lassen wir uns die Stimmung erst einmal nicht vermiesen und schließen uns mit unseren Rädern zusammen in der Halle ein. Zum ersten Mal erleben unsere „Zweireifer“ live, wer „King of Hingsen“ wird!
Der Ärmelkanal nähert sich – oder besser gesagt, wir fahren entlang an seiner Flanke südwestlich auf Calais zu. Schon um 6 Uhr steht die Gruppe auf, die 55 Kilometer sind zwar nicht lang, aber die gebuchte Fähre müssen wir um 15:17 erreichen. Und sicher ist sicher! Es läuft richtig gut! Wir sind eingefahren, als Gruppe und individuell sportlich. Unterwegs stellen wir fest: Die Franzosen können kein Auto fahren – zumindest die nicht, denen wir begegnet sind. Und von Sicherheitsabständen und Straßenverkehrsregeln haben sie dort, wo wir ein paar Kilometer auf einer Straße fahren mussten, auch wenig gehört. Wir sind erleichtert, als es wieder auf unsere Rad-, Feld- und Wiesenwege geht. Allerdings nur kurz! Mit einem Mal endet der Radweg an einer T-Kreuzung. Die Entscheidung ist hier nicht, fahren wir rechts oder links. Wir müssen entscheiden, ob wir bis zur nächsten Straße feldeinwärts schieben, oder ob wir der Eisenbahnlinie in einer Richtung folgen wollen. Komisch sind sie schon irgendwie, unsere Baguette -liebenden Nachbarn, das sprechen wir offen aus. Aber dann geht es weiter, natürlich nicht ohne die notwendigen Reparaturstopps!
Nur noch 10 Kilometer und eine Menge Zeit! Die Sonne brennt heiß und wir entschließen uns, die Mittagspause in den Dünen zu verbringen. 15 Teilnehmer kommen auf die Idee, hinter den Dünen kurz ans Wasser zu radeln. Auf geht’s! Doch nach den Dünen kommt der Strand. Und das Watt! Und das Meer ist weg. Ebbe! Aber der Ehrgeiz packt uns, wir wollten zur Wasserkante! Antenne Münster ruft gerade hier an und Tobias hat Schwierigkeiten, der Gruppe zu folgen, weil es in dem weichen Boden gar nicht so einfach ist, ein Interview zu geben und zeitgleich nicht vom Rad zu fallen. Radelnd und zeitweise schiebend gehen wir. 3 km ins Watt bis zum Wasser! Schnelle einmal reinspringen, mit Schlick werfen, einen Seestern fotografieren und den Schriftzug „Friedenstour 2012 – Münster – London“ in den Sand schreiben und dann zurück. Bis zu den Dünen geht es erstaunlich weit bergauf!
Fotos zum Tagebuch-3

Ankunft in Calais zur Überfahrt! In der riesigen vor Hitze flimmernden Asphalt-Wüste finden wir uns mit dem Rad nicht so schnell zurecht. Via Handy können wir uns aber gut mit den Begleitfahrzeugen verständigen. Und mit dem Rad kommt man dann auch durch alle Autobarrieren schnell zu den verpflegungswagen. Getränke und Süßigkeiten werden dringend benötigt! Und dann noch ein Anruf: Das Büro der NRW Sportministerin ist dran! Die Ministerin möchte uns gerne im Deutschen Haus treffen! Die Gruppe jubelt, nachdem Tobias aufgelegt hat!
Es geht auf die Fähre! Der Anstieg auf das uns zugewiesene Deck ist kurz und Steil, aber es ist ein erhebendes Gefühl, diese wenigen Meter zu radeln. Es ist ein riesiger Schritt auf dem Weg nach London! Auf dem Schiff herrscht in der Gruppe eine ausgelassene Stimmung! Wir treffen einen stolzen Engländer. Er erzählt, dass er gerade mit dem Rad auf dem Rückweg von der Tour de France in seine Heimatstadt ist und sich über den englischen Sieger Bradley Wiggins freut. Richtig, Tour de France. Da war ja noch was! Wir haben das gar nicht wahrgenommen! Wir erzählen von unserer „Tour d`Olympique“ und er bekommt große Augen und beglückwünscht die Kinder zu ihrer Leistung und wünscht viel Freude in seiner Heimatstadt London!
Ankunft in Dover. Die Kreidefelsen erheben sich steil vor uns – und die Straßen sind so steil wie sie aussehen – mindestens! - wie wir eine Stunde später feststellen. Doch zuerst geht langsam vom Schiff und dann zu einem markierten Feld zur Orientierung. Wir sollen einer roten Linie folgen, die uns Richtung Stadtkern führt. Der „rote Faden“ ist notwendig im Gewirr von LKWs und Autos, Zäunen und Gattern, Straßen und Tunneln. Zeitweise passt gerade mal so ein Lenker durch die engen Wege. Die Gruppenteilnehmer ermahnen sich gegenseitig zur Vorsicht!
In dem Stadtkern von Dover ist es erstaunlich schön und ruhig. Doch wir müssen noch die steilen Hügel hinauf zum „Scout Hut“, in das uns die Bürgermeisterin Anne Smith untergebracht hat. Der Raum ist klein und fensterlos. Letzteres ist in der Gegend auch notwendig, wie sie uns am nächsten Morgen berichten wird. Wir treiben Sport, kochen draußen, essen gemeinsam. Da es keine Duschen gibt und keiner mehr Lust hat, noch einmal die Berge noch einmal zu bezwingen um unten an der Wasserkante ins Schwimmbad zu gehen, bleiben wir so wie wir sind! Später fahren jedoch ein paar bei eintretender Dunkelheit doch noch einmal ans Meer. Andere spielen mit englischen Jugendlichen Fußball und Frisbee. Später schrauben wir alles von den Rädern, was entwendet werden könnte. „Sicher ist sicher“ und noch mehr fehlende Räder verkraftet die Gruppe nicht. Doch es geht alles gut.
Und Tobias weckt am 11. Tag der Tour eine Stunde zu früh: Er hat vergessen, die Uhr umzustellen! Betreuer Helge wird ihm dafür am Abend eine Hingen-Nominierung geben!
Die Strecke nach Canterbury ist mit 38 km die kürzeste … aber sie hat es in sich! Nur Hügel. Zum Teil so steil, dass ein Großteil der Gruppe kurzzeitig absteigen muss. Greta als eine der Jüngsten kämpft sich von den anderen angefeuert und bewundert bis ganz oben durch! Es folgen auf der Strecke viele Reparaturen. Elenas Rad ist heute unterwegs nicht mehr zu retten. In Canterbury muss da ein Fachmann ran! Via Handy und Navi verständigen wir uns mit den Begleitautos. Der Großteil der Gruppe fährt los, ein Teil wartet, bis Albert kommt. Die Strecke schlaucht die Gruppe! In der wunderschönen Stadt Canterbury angekommen müssen wir feststellen, dass die Stadt zwei Straßen gleichen Namens hat, und das Gemeindezentrum der St. Pauls Church natürlich in der Anderen, am anderen Ende der Stadt liegt. Das verschafft uns allerdings einen Gang in voller Montur durch die zum Teil Fußgängerzone mit ihren historischen Gebäuden! Das Gemeindezentrum ist sehr schön, gut gekühlt und der angrenzende Kirchenraum, der seine Ursprünge in 12. Jahrhundert hat, wird von der Sonne durch die Fensterbilder in ein warmes, buntes Licht gehüllt. Nach den Impressionen geht es zum Schwimmbad. „Heute müssen wir da dringendst rein!“, lässt Lara verlauten. Alle stimmen zu. Doch zuvor finden wir glücklicher weise in der Nachbarstraße einen Fahrradladen, der notwendige Reparaturen durchführen kann und sie bis morgen früh um 9 erledigt haben will! Das Abendessen nehmen wir an einer langen Tafel in einem schmalen Gang zwischen Gemeindehaus und Kirche ein. Der Abend ist kurzweilig und es gibt eine frühe Hingsen-Runde. Der Tag steckt allen in den Knochen. Und für die nächsten 65 Hügelkilometer in die Medway JHB Gillinghams wollen wir ausgeschlafen und gestärkt sein!
Die Strecke ist wieder sehr hügelig. Wieder den ganzen Tag bergauf und bergab bei höchster Konzentration. Wieder zahlreiche Pannen.
Fotos zum Tagebuch-4
Zunehmend verärgern die englischen Fahrradwege, wenn es denn überhaupt welche gibt. In regelmäßigen Abständen sind Metallbarrieren eingebaut. Diese sind im Gegensatz zu unseren in Deutschland nicht so leicht zu „befahren“. Sie sind so gebaut, dass ein normaler Lenker schon kaum hindurchpasst, man das Rad auf eigenwillige Weise anheben und hindurchwinden muss. Bei 37 Rädern ist das zum Teil ein nervenaufreibender Akt! Einige Schülerinnen können sich herrlich darüber aufregen!
Fotos zum Tagebuch-7
Die Pausen brauchen wir heute mehr denn je. Es ist unglaublich heiß, der Flüssigkeitsverlust ist enorm und wir zwingen uns zum Mehrtrinken. Toll ist aber, dass alle weitermachen wollen. Niemand möchte so kurz vor dem Ziel die Möglichkeit wahrnehmen, ein paar Kilometer bis zur Jugendherberge im Auto zu fahren, obwohl am Ende nur noch steil hinauf geht. In der Medway JHB angekommen endet das anfänglich erschöpfte „Volltrinken“ in einer großen und erfrischenden Wasserschlacht – gespeist vom Wasserhahn des Nebengebäudes. Ins Haus können wir nicht. Es ist keiner da!
Fotos zum Tagebuch-5

Erst um 17 Uhr erscheint der Besitzer, macht alles soweit klar und freut sich über die Jugendlichen. Die Wasserschlacht hat ihm gefallen und die Küche dürfen wir problemlos auch mitbenutzen. Wieder einmal treffen wir auf unglaublich sympathischen Menschen anderer Nationen!
Am Abend kommt es zur lange herausgezögerten Vergabe der Eintrittskarten. Die Betreuer Henning, Caro, Ines und Tobias haben die Zeremonie vorbereitet. Große Wandplakate, Lose, ein vorbereiteter Raum, wie ein Gerichtssaal. Einzeln kommen die Schüler herein. Vor dem „Gericht“ haben sie zu sagen, er sich aus ihrer Sicht am meisten für die Gruppe eingesetzt hat. Verschiedene Namen und unterschiedlichste Begründungen werden genannt. Einige Namen fallen mehrmals! Die Zuschauer verfolgen die Zeremonie schweigend – das ist die Auflag. Jeder soll seine Meinung frei und ungestört äußern können!
Das Verfahren wird erläutert, Fragen dazu werden geklärt. In der ersten Runde darf jeder Schüler seinen Wunsch zu den 13 verschiedenen Sportarten nennen. Das geht insgesamt sehr gut auf! In einer zweiten Runde kann man entscheiden, ob man in der Großgruppe Hockey oder Beachvolleyball sehen will. Wenn der Termin mit der ersten Wunschkarte zusammenfällt, dann muss auf die jeweils andere Sportart ausgewichen werden. Anschließend werden die 3. Karten verlost. Zunächst bekommen jedoch die Schüler eine Zusatzkarte, die am häufigsten „vor Gericht“ für ihr positives Engagement hervorgehoben wurden. Nach dem Losen hatten die Schüler noch eine Stunde Zeit, um die letzte Loskarte zu tauschen, wobei darauf zu achten war, dass nicht zwei Veranstaltungen zeitgleich waren oder genügend Zeit wäre, um von einem Stadion zum nächsten zu kommen. Allseits zufrieden geht es in die Hingsen-Runde. Da es so spät ist, wird gelost! So bekommt Lotte noch die „Eintrittskarte“ in den Kreis der Hingsens!
Knapp 70 km auf der letzten Etappe. London wartet! Die Vorfreude ist groß und das Zusammenräumen des „Lagers“ hat wohl noch nie so schnell geklappt wie heute! Über Straßen, Feldwege, von Brennnesseln gesäumte Pfade, durch Schafsgatter und einen kleinen Deich geht es zum Radweg an der Themse. Dieser ist eben, aber eben auch mit 1000 Barrieren gespickt – mindestens! Ein echter englischer Bobby erklärt später, dass das wegen der Rowdys mit den Motorrädern sei. Das verstehen wir, nerven tut es trotzdem.
Dann der Telefontermin mit dem WDR. Wir halten an. Die Gruppe etwas weiter, damit man mehr Ruhe zum Telefonieren hat. Zwei Polizisten fragen, was wir dort täten. Telefontermin mit dem deutschen Fernsehen, sagt Tobias. Den Gesichtern der Polizisten ist anzusehen, dass sie denken, sie würden veräppelt werden. Kerse und Tobias erklären, während Charlotte 20 Minuten mit dem WDR spricht. Die Sonne scheint, Schiffe fahren an uns vorbei, der Dunst der Großstadt ist in 30 km Entfernung deutlich zu sehen und ein kühles Themse-Lüftchen trocknet die Schweißperlen auf der Stirn. Die beiden Bobbys sind jetzt zufrieden und es entsteht eine rege Unterhaltung über die Olympiade. Herzlich wird die Gruppe durch die Ordnungshüter verabschiedet.
Es geht weiter an der Themse entlang. Immer wieder Barrieren. Eine ist dermaßen schräg, dass die Gruppe kurzerhand entscheidet, die Räder auf die Kay-Mauer zu hieven, sie dort vorsichtig weiterzurollen und auf der anderen Seite wieder hinunterzulassen. Von oben aus gesehen ist links ein Betonweg mit nahezu unüberwindlichen Hindernissen und rechts das Themsewasser… doch wir sind durch beides mitten hindurch … oder besser drüber hinweg!
Es geht näher auf den Stadtkern zu! Wir passieren das Themsesperrwerk und an der Promenade geht es zunehmend farbenfroh zu. Die Menschen der Vorstadt entstammen offensichtlich unterschiedlichsten Kulturen. Sehr viele winken unserer Fahrradgruppe zu oder starren uns unbewegt an. Einige rufen während des Winkens „Hello, Germany!“ Wir grüßen zurück! Einmal hören wir auch Beschimpfungen, die sich auf die Zeit des Dritten Reiches beziehen. Das ignorieren wir von der Friedenstour und radeln schnell weiter! Einmal müssen wir für ein paar Kilometer vom Themseweg wegen größerer Baustellen durch abenteuerliche Gassen fahren, die von hohen Bretterverschlägen eingefasst sind. Ein anderes Mal ist der Weg so eng dass es schon schwierig ist, einzeln hintereinander her zu fahren. Rechts fließt die Themse und links ist ein riesiges Gebäude mit einem großen Innenhof, der mit englischem Rasen begrünt und von Unmengen an Personen im Bodyguard-Look bestückt ist. Doch wir haben keine Zeit, um zu überlegen, wer da nun gerade vorgefahren ist. Die Tower-Bridge wartet!
Kurz vor der Tower´-bridge halten wir noch einmal, um uns in Position zu bringen und unsere Rik-radelt-rueber.de-Shirts anzuziehen! Dann geht es auf zu den letzten drei Kilometern. Die Straßen sind erstaunlicher Weise nicht so voll, wie man es aus der Rushhour kennt. Und das einen Tag vor der Eröffnung der Olympischen Spiele! Also machen wir uns auf der Fahrbahn in geordneter Zweierreihe breit und fließen im zeitweise stockenden Verkehr mit Richtung Tower-Bridge.
Mit einem Mal ist sie vor uns! Die Tower-Bridge! Das lang ersehnte und anvisierte Ziel … nach rund 730 Kilometern! Wir fahren hinter einem Auto her, das von einem Sicherheitsbeamten zum Schnellerwerden aufgefordert wird. Die Brücke wird jeden Moment gesperrt! Und wir halten uns zunächst eng hinter dem Wagen! Dann lassen wir uns Zeit! Keiner ist mehr hinter uns, der Verkehr wird für die Öffnung der Brücke gesperrt! Wir genießen das langsame Hinüberradeln, jubeln und klingeln was das Zeug hält! Passanten, die die Brücke säumen, um dem Hindurchfahren eines Norwegischen Luxusliners zuzusehen, winken und jubeln mit! Später erhalten wir Bilder unseres Hinüberfahrens aus Österreich. Die Frau hatte uns fotografiert, weil sie von unserer Stimmung begeistert war, wie sie später schrieb.
Nach der Überfahrt entscheidet die Gruppe spontan, um den Tower of London herum zu fahren, um dem langsamen Hindurchfahren ebenfalls noch zuzusehen. Unten an der Themse angekommen, schreiten wir jedoch sofort zum Gruppenbild! Dieser einzigartige Moment muss festgehalten werden! Es ist nicht ein Bild, es werden viel mehr. Auch fremde Leute fotografieren und fragen, wer wir seien und was wir machen würden. Das koreanische Fernsehen holt einen Teil der Gruppe zu seinem Kamerateam und so werden wir ein Teil der Eröffnungsansprache zu den Olympischen Spielen der koreanischen Moderatorin, welche auf den Schultern von Tobi sitzt und für die die Gruppe die Welle macht!
Eine Stunde halten wir uns am Themseufer auf, machen Bilder und feiern ausgelassen die Ankunft in London. Dann wollen wir langsam zum Wynfrid-House fahren, in dem wir ca. 1 km von der Tower-Bridge wohnen werden. Der letzte Kilometer wird erstaunlich ruhig gefahren – fast andächtig! Doch beim Erreichen der Unterkunft sind die Lebensgeister wieder voll zum Klingelkonzert da. Antony Perera empfängt uns strahlend! Der Manager des Wynfrid-Houses hat den Werdegang der Tour die zwei Jahre im Vorfeld stets miterlebt.
Am Abend des 26.07.2012 gibt es den letzten Hingsen. Lukas hatte während der Fahrt am Themseufer entlang alle lautstarken „Pöööhhhler“-Warnungen seiner vorausfahrenden Kameraden stumpf ignoriert.
Der Tag der Eröffnung der Olympischen Spiele von London 2012 zieht sich! Wir beschäftigen uns viel mit der Logistik, mit Stadtplänen und organisatorischen Aufgaben. Ulla und Albert werden uns heute leider verlassen! Die Gruppe dankt sehr herzlich für ihr Engagement als „Transportunternehmen“, „Küchenfee“, Berater in allen Lebenslagen, Freud- und Leidteiler und großartige Mitglieder unserer Rik-radelt-rueber-Tour! Wir lassen Euch nur ungern gehen!
Am Nachmittag wollen wir das Herzstück der Sportstätten betrachten, das Olympia-Stadion. Doch wir bekommen es nicht zu sehen. Man müsste zahlen oder eine Eintrittskarte haben, um überhaupt diesen Teil des Geländes betreten zu dürfen. Wir entscheiden, zum Deutschen Haus zu fahren, um die Eröffnungsfeier sehen zu können. Der Hyde-Park, für 100.000 Besucher hergerichtet, verlangt in bestimmten Bereichen 69 Pfund Eintritt, und die Bereiche, die kostenfrei sind, werden wahrscheinlich hoffnungslos überfüllt sein.
Im deutschen Haus ist zunächst nicht viel los. Ein Stand von Mecklenburg-Vorpommern gibt die Möglichkeit, im so genannten „Fanfest“ des Deutschen Hauses Erinnerungsbilder zu machen … was wir fleißig tun. Ansonsten ist das Warten ziemlich ermüdend. Doch später wird es voll. Ein DJ spielt und eine Düsseldorfer Band tritt auf. Die Stimmung steigt deutlich! Dem Spiel „Wenn ich Du wäre …“ ist es zu verdanken, dass die Band die Olympia-Gruppe ankündigt, nach vorne zu einem Fototermin ruft und verspricht, die Friedensradler jeden Abend anzukündigen, ob sie nun da sind oder nicht. Der Olympia-Pfarrer des Deutschen Aufgebotes, der wie wir im Winfrid-House wohnt, berichtet an einem anderen Tag, dass die Band uns angekündigt habe. Die Stimmung im Fangest steigt weiter … mit und durch uns! Nach dem Einlauf der deutschen Nationalmannschaft fahren die Jüngeren nach Hause. Ab morgen um 9:00 beginnen die Wettbewerbe in den Stadien!
Es folgen aufregende Tage. Die Gruppe kann sich wegen der unterschiedlichen Stadiontermine nur noch morgens zum Frühstück komplett sehen und Absprachen zu Sonderterminen wahrnehmen. Zum Beispiel das Treffen mit der Sportministerin Ute Schäfer. Leider müssen wir am 30.07.2012 wegen der Fechtentscheidung von Britta Heilmann in ihrem Halbfinale über eineinhalb Stunden auf den Termin warten, doch bekommen wir immerhin je ein Getränk spendiert. Bei dem Treffen übergeben wir ein Buch der Stadt Münster.
Wir sehen 13 verschiedene Sportarten! Mit viel Begeisterung und Erstaunen über verschiedenste Umstände wird immer wieder von den Sportstätten berichtet. Wasserball: SUPER! Basketball: GRO?ARTIG!
Basketball_Helge (1 von 2)
Bogenschießen: IRRE, wie die das auf die Distanz so treffen können! Handball: WAR TOLL! Hockey: STARKE SPIELE! Fechten: SPANNEND! Beachvolleyball: WAHNSINN! Drei Mädels, die zusammen mit Betreuerin Caro zum Boxen gegangen sind und als einzige gegen 1000 US-Amerikaner geschrien haben, kommen alle mit breitem Grinsen und leuchtenden Augen zurück! Schüler und Betreuer, die einen der Beachvolleyball-Termine wahrgenommen haben, sind ein paar Stunden von NTV begleitet worden. Das zieht weitere englische und russische Fernsehsender an. Vor der Kamera werden die Schüler mit einer Schoko-Goldmedaille geehrt. Henning beißt genüsslich hinein, dann geht es ins Stadion. Eine Wahnsinnsstimmung! Eine Welle geht 28mal durch die ganze Arena. Auf einem Nachbargebäude hat ein Maler seine Staffelei aufgebaut und bannt das Treiben der Sportler und Besucher auf Leinwand!
Aber es gibt auch Frust! Die Gruppe, die Badminton sieht, erwischt genau die Spiele, bei denen die Chinesen und Koreaner bewusst verlieren wollen, um in der nächsten Runde den schwereren Gegnern auszuweichen. Die Schüler sind empört! Am Tag darauf lesen wir in der Zeitung, dass die Fachwelt das ebenso gesehen hat! Die Spieler werden disqualifiziert. Doch das ist keine Entschädigung für die Enttäuschung der Schüler vom ansonsten spannenden Badmintonspiel. Aber auch das ist Olympia! Leider!
Noch einmal sind wir am 01.08.2012 im Deutschen Haus geladen. Diesmal jedoch im VIP-Bereich. Jeder wird abgetastet. Jeder erhält seine eigene Akkreditierung, eine Karte mit Schriftzug der Gruppe und Foto. Die Kamera fotografiert von unten, was besonders bei größeren Personen ziemlich dämliche Bilder erzeugt!
Wir bekommen eine Führung durch das Deutsche Haus, das eigentlich das historische und denkmalgeschützte Dockland-Museum ist. Wir sehen das Fernsehstudio und den Presseraum, in dem die Gewinner und Teilnehmer der Spiele Platz nehmen. Wir gehen auch auf die Außenterrasse und dort machen wir unser letztes Gruppenbild unter lautem „HIIIINNNGSSSEEEEEENNNN! Nach einstündigem Aufenthalt, zu dem wir unseren eigenen ADR-Korrespondenten mitnehmen konnten, weil die ARD ansonsten nur zwei Akkreditierungen pro Tag erhält, machen wir unser letztes Interview mit Stephan Lochner.
Dann geht jeder seiner Wege. Noch einmal die Stadt genießen, zu den letzten Wettkämpfen oder einfach zum Essen, um etwas zur Ruhe zu kommen. Dabei sehen ein paar von uns die erste Medaille: Silber von Britta Oppelt aus dem Doppelvierer der Ruderdamen! HERZLICHEN GLÜCKWUNSCH!
02.08.2012 - Der letzte der Abreise!
Vier von uns gehen noch ab 9:00 ins Stadion, um 13:00 müssen sie vom Fechten zurück sein, dann treten wir via Bus die Heimreise an. Die anderen räumen das Wynfrid-House auf, gehen noch einmal in die Stadt, räumen ihren Krempel zusammen und verpacken die wertvollen Souvenirs sicher. Wir schleppen Räder und Taschen 500 m zum verabredeten Point, doch ein Polizist rät uns ab, dort einen Bus zu beladen, das könnte teuer werden. Also schleppen wir alles 500 m zurück und weitere 500 m in die entgegengesetzte Richtung. 13:10: der Bus ist da. Auf den ersten Blick wirkt der Anhänger deutlich zu klein. Doch nach längerem Kampf sind bis auf zwei Räder alle drin. Die letzten Beiden kommen vorsichtig in den nicht ganz gefüllten Gepäckraum.
Unsere letzten Stadionbesucher kommen pünktlich und mit leuchtenden Augen von der Finalrunde im Fechten. Und dann geht es los. Einsteigen und ab durch die Straßen Londons, die wieder eigentümlich leer wirken! Im Bus entsteht eine nachdenkliche Ruhe. Wie auf Kommando beginnt es in diesem Moment leicht zu regnen, was in der vergangenen Woche sonst für englische Verhältnisse selten passiert ist. Wir kommen gut durch mit dem Bus. Nach zwei Stunden sind wir in Dover angekommen. Lara ruft noch: „Da ist unser Sprinter!“ Zunächst glaubt es keiner. Der Wagen ist mit Lis und Kerse vorgefahren, weil für sie eine frühere Fähre gebucht worden ist. Letztlich haben wir eine frühere Fähre bekommen und der Sprinter hat uns vor Münster wieder eingeholt.
Auf der Fähre machen wir unser allerletztes Gruppenbild und würdigen so lautstark auch den Hingsen!
Ist die Rückfahrt noch von Ruhe und Schläfrigkeit geprägt, so ist der Empfang in Münster genau das Gegenteil! Um 2:00 morgens treffen wir am 03.08.2012 in der Melcherstraße ein! Die Eltern haben Getränke und Empfangskuchen organisiert und gibt ein großes Willkommensbanner auf dem Steht:

RiK-radelte-rueber

Das wollen wir im Gedenken an diese einzigartige Tour der Realschule im Kreuzviertel zu den Olympischen Spielen von London 2012 in der Schule aufhängen lassen.
Fotos zum Tagebuch-10

blog comments powered by Disqus